Historische Fenster aus Holz, mit ihren filigranen Profilen und welligen Weichglasscheiben, tragen den Zauber der Vergangenheit in sich. Doch oft sind sie in Gefahr: abblätternde Farben, spröder Kitt und das Holz, einst lebendig, wird vom Zahn der Zeit bedroht. Hier beginnt die Geschichte von Nadja Näther, einer Tischlerin, die auf ein jahrhundertealtes Naturprodukt zurückgreift, um historische Fenster zu retten: Leinöl.
Die Inspiration einer Tischlerin
Nadja Näther ist nicht nur Tischlerin – sie ist eine Hüterin von handwerklichem Wissen. Inspiriert von den Erfahrungen ihrer Großeltern und den geschickten Händen eines Dorftischlers, begann sie vor 30 Jahren ihre Reise ins Holzhandwerk. Ihr Herz schlägt besonders für die Restauration alter Fenster, eine Kunst, die das Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation erfordert. „Jedes Fenster ist ein Zeugnis der Zeit“, sagt sie. „Man kann die Spuren der Handwerker sehen, die es geschaffen haben und genau das macht sie einzigartig.“
Doch es war nicht nur ihre Liebe zum Handwerk, die sie zur Leinölmethode führte. Es war auch Frustration – Frustration darüber, dass moderne Lacke ihre Versprechen nicht hielten. „Die Farben blätterten ab, das Holz atmete nicht mehr. Es war, als würden wir die Fenster mit einer Plastikhülle ersticken.“ Die Suche nach einer Lösung brachte sie zu einer Technik, die sich seit Jahrhunderten bewährt hat: das Holz mit Leinöl behandeln.
Leinöl: Das Elixier der Langlebigkeit für Holz
Leinöl ist keine Farbe im gewöhnlichen Sinne. Es ist ein Naturprodukt, gewonnen aus den Samen der Flachspflanze, das tief ins Holz eindringt, statt nur an der Oberfläche zu haften. Seine Magie liegt in der Diffusionseigenschaft: Wasserdampf kann durch die behandelte Schicht hindurchtreten, wodurch das Holz weiterhin atmen kann. „Es ist wie eine gute Windjacke“, erklärt Nadja. „Sie schützt, ohne zu ersticken.“
Im Vergleich dazu sind moderne Lacke oft wie Plastikhüllen. Sie versprechen Atmungsaktivität, doch ihre Diffusionswerte reichen nicht aus, um die Feuchtigkeit, die Holz aufnimmt, nach außen zu transportieren. „Holz ist wie ein Schwamm“, sagt Nadja. „Es saugt Wasser bis zur Fasersättigung auf, und wenn die Feuchtigkeit nicht entweichen kann, kommt es zu Schäden. Risse, abblätternde Farben und spröder Kitt sind die Folge.“
Die Wiedergeburt alter Fenster
Die Restaurierung eines Fensters mit der Leinölmethode beginnt mit einer Bestandsaufnahme. „Ich starte immer mit einem Musterfenster“, erklärt Nadja. „So kann ich sehen, ob der PH-Wert des Holzes noch gesund ist und ob der Anstrich hält.“ Danach folgt die behutsame Entfernung alter Farbschichten, oft mit einem Infrarot-Gerät, die das Holz schont.
Das Holz wird gereinigt und die Beschläge entfernt. Erst dann kommt das Leinöl zum Einsatz – Schicht für Schicht, mit Geduld und Hingabe. Am Ende erstrahlt das Fenster in neuem Glanz, ohne seinen historischen Charakter zu verlieren. „Man sieht die Macken des Holzes, die kleinen Unebenheiten. Das ist das Schöne daran. Es ist ein altes Fenster, und das soll man auch sehen.“
Ein Fenster zur Vergangenheit
Historische Fenster sind nicht nur funktionale Bauteile; sie sind Kulturträger. Nadja erzählt von einem ihrer Lieblingsprojekte, dem Wasserturm in Berlin Johannisthal. Für die Restaurierung gab es sogar den Bundespreis des Handwerks und Nadja ist eine der ausgezeichneten Handwerkerinnen. „
Jedes Fenster war ein kleines Kunstwerk, handgefertigt mit Hobel und Säge. Diese Handwerkskunst zu bewahren, ist wie ein Blick in die Vergangenheit. Es ist, als würde man ein altes Buch lesen und die Handschrift des Autoren spüren.“ Ein besonderes Highlight sind die Weichglasscheiben mit ihrer welligen Oberfläche. „Sie brechen das Licht auf eine einzigartige Weise. Es ist wie das Knistern eines Kamins, warm und beruhigend. Man kann die Geschichte spüren, die durch diese Scheiben hindurchgegangen ist.“
Nachhaltigkeit und Zukunft mit Leinöl Holz
Die Leinölmethode ist nicht nur ein Tribut an die Vergangenheit, sondern auch eine Investition in die Zukunft. Sie ist nachhaltig, umweltfreundlich und überraschend pflegeleicht. Statt das Holz alle paar Jahre abzuschleifen und neu zu streichen, genügt es, die Fenster mit einem Tuch und etwas Leinöl Holz zu reinigen. „Es ist so einfach“, sagt Nadja. „Man pflegt die Fenster, statt sie zu bekämpfen.“
Doch diese Methode erfordert Wissen und Handwerkskunst. Nadja bietet deshalb Workshops an, in denen Hausbesitzer lernen, wie sie ihre Fenster selbst restaurieren können. „Es ist eine leicht erlernbare Technik“, betont sie. „Aber es braucht ein Verständnis für das Holz, für die Materialien und für die Geduld, die es erfordert.“
Ein Plädoyer für die Tradition und Leinöl Holz
Die Leinölmethode ist mehr als eine Technik; sie ist ein Ausdruck von Respekt – für das Material, für die Handwerkskunst und für die Geschichte. In einer Zeit, in der oft auf schnelle und kostengünstige Lösungen gesetzt wird, zeigt Nadja Naether, dass sich Geduld und Hingabe lohnen. Ihre Arbeit ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Tradition und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können.
Wenn wir durch ein restauriertes Fenster blicken, sehen wir nicht nur die Welt da draußen. Wir sehen die Zeit, die Liebe und die Kunst, die in jedem Rahmen, jeder Scheibe und jeder Schicht Holz steckt. Was für ein Geschenk.